Psychosomatische Erkrankungen – Alles nur Einbildung?

Der Arzt schaut Sie leicht ratlos an und überlegt.
Sie waren schon mehrfach wegen ständiger Kopfschmerzen bzw. chronischer Magen-Darm-Beschwerden bei ihm, aber nie konnte eine eindeutige gesundheitliche Ursache gefunden werden.

Und dann kommt der Satz, den Sie überhaupt nicht hören wollten:
„Ich glaube, dass Ihre Probleme psychosomatisch sind. Vielleicht wäre eine Psychotherapie etwas für Sie.“
Wie jetzt? Psychosomatisch und dann noch Psychotherapie?
Will der mir gerade sagen, dass ich verrückt bin und mir die Schmerzen nur einbilde?


„Psychosomatisch“ ist bei vielen Patienten zu einem Hasswort geworden. Viele verbinden damit, sich Krankheiten einzubilden. Wenn der Arzt keine nähere Erläuterung dazu gibt, kann es tatsächlich schnell zu Missverständnissen führen.
Bedeutet psychosomatisch jetzt allerdings wirklich, dass Sie sich das alles nur einbilden oder ist damit doch etwas ganz anderes gemeint?


Häufig kommt es vor, dass keine gesundheitlichen Ursachen
für die Beschwerden gefunden werden können.

Bilde ich mir meine Erkrankung nur ein?

 

Um die Antwort schon einmal vorweg zu nehmen – Nein! Sie bilden sie sich nicht ein.
Die chronischen Kopfschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden, Rückenschmerzen, Schlafstörungen oder was auch immer Sie gerade belastet, sind sogar sehr real.

Aber was meint der Arzt, wenn er von möglichen psychosomatischen Beschwerden spricht?

 

Der Begriff Psychosomatik kommt aus dem Griechischen und setzt sich aus dem Wort Psyche (Geist) und Soma (Körper) zusammen. Kurz gesagt beschreibt er einfach nur, dass sich die Psyche auf den Körper auswirken kann. Wenn wir beispielsweise niedergeschlagen sind, fühlen wir uns meistens auch körperlich angeschlagen. Andersherum fühlen wir uns auch psychisch nicht sehr vital, wenn wir uns mit einer Krankheit angesteckt haben.
Um zu zeigen, wie unser Leben psychosomatische Beschwerden verursachen kann, möchte ich zwei kurze Fallbeispiele anführen.

Chronische Magen-Darm-Beschwerden aufgrund von Überarbeitung

 

Eine junge Frau, nennen wir sie Sarah, arbeitet in einem erfolgreichen größeren Unternehmen. Sie hat sich auf einen höheren Posten beworben und wurde angenommen.
Doch so viel Freude ihr neuer Tätigkeitsbereich ihr auch bereitet, bringt die größere Verantwortung auch mehr Stress mit sich.

Hin und wieder ärgert sie sich schon über ihren Chef, da er sehr häufig Überstunden von ihr verlangt. „Wer erfolgreich sein will, muss bedingungslosen Einsatz zeigen!“ wiederholt er auf jeder Mitarbeiterversammlung. Ihr Chef nennt dies Motivation, Sarah empfindet es eher als Ausbeutung.
Aber was soll sie machen? Sie arbeitet nun mal in dieser Position und muss jetzt irgendwie damit klar kommen, immerhin ist er der Chef.

Allerdings sind die vielen Überstunden auch dafür verantwortlich, dass Sarah sich zu Hause nur noch schwer entspannen kann. Ihr Mann beklagt sich oft darüber, dass sie immer so gestresst ist und sie sich gar nicht mehr richtig unterhalten.

Sarah weiß das und merkt auch, dass ihr die ganze Situation langsam aber stetig immer häufiger „Auf den Magen schlägt“. Sie hat oft Bauchschmerzen und Verdauungsprobleme.
Auch verträgt sie viele Lebensmittel nicht mehr so gut wie früher. Ihren ständig verspannten Nacken, nimmt sie schon gar nicht mehr wahr.
Nur was soll sie machen? Kündigen? Dem Chef mal die Meinung sagen? Nie im Leben! „Nein“ sagen hat noch nie zu ihren größten Stärken gehört. Einerseits fühlt sie sich gestresst und ärgert sich über die mangelnde Rücksichtnahme ihres Chefs, andererseits weiß sie aber auch nicht, wie sie dagegen vorgehen soll.

Ein Konflikt entsteht in ihr – auf der einen Seite ist der Ärger, auf der anderen Seite die Rat- und Hilflosigkeit.

Ihre Psyche öffnet ihren Werkzeugkoffer und holt das für solche Situationen wirksamste Werkzeug heraus: Verdrängung! Ganz nach dem Motto: „Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“. Kurz gesagt: „Wenn der Konflikt zwischen Ärger und Hilflosigkeit nicht zu klären ist, schalte ich die Gefühle eben ab und muss sie nicht mehr spüren. Problem gelöst.“

So denkt Sarahs Psyche, und für einen gewissen Zeitraum mag dies eine gute Taktik sein, um mit der Situation umzugehen. Ab sofort sagt Sarah eben nicht mehr „Mein Chef regt mich wieder auf“, sondern eben „Tja, was soll man machen? Da muss man eben durch.“

Das Problem ist nur, dass die Psyche zwar die Gefühle verdrängen kann, die körperlichen Symptome bleiben aber. Ab sofort hat Sarah also Magen-Darm-Beschwerden, ohne sie noch gefühlsmäßig einer Situation zuordnen zu können.

Und weil Sarah nun noch ehrgeiziger arbeiten kann, ohne ihren Stress wahrzunehmen, wird sie auch kein Problem damit haben, noch mehr zu arbeiten, worauf ihre körperlichen Symptome immer stärker und chronischer werden. Ein Teufelskreis entsteht.

Herzschmerz mal anders… Und zwar in der Blase.

 

Ein Mann mittleren Alter – nennen wir ihn Olaf – hat sich vor ein paar Jahren von seiner Freundin getrennt. Die Trennung war für ihn sehr schmerzhaft, da sie für ihn seine große Liebe war.

Aber wie heißt es doch so schön: Zeit heilt alle Wunden – denkt Olaf.
Und mittlerweile ist ja auch eine ganze Zeit vergangen und er ist drüber hinweg – denkt Olaf.

Er und seine Ex-Freundin führen seitdem eine eher lockere Freundschaft. Hin und wieder meldet sich der eine und fragt nach dem Wohlbefinden des anderen. Eines Tages schreibt sie ihm, dass sie sich verlobt hat. Olaf gratuliert ihr und sagt, dass er sich für sie freuen würde. Und er freut sich wirklich für sie – denkt Olaf. Ein Jahr später bekommt er eine Einladung. Seine Ex heiratet und möchte ihn gerne einladen.

Olaf freut sich und fährt an besagtem Tag in seinem besten Anzug zum Saal, in dem die Feier stattfindet. Jedoch merkt er auf dem Weg schon, dass ihm komisch wird. Irgendwie fühlt er sich schlapp und hat auch das Gefühl,  ihm sei wärmer als sonst, was sich bestätigt, als er an seine Stirn fasst.

Er hat Fieber! „Seltsam, muss mir wohl irgendetwas eingefangen haben.“

Die Stimmung auf der Feier ist super, und er versucht so gut wie möglich mit zu feiern. Allerdings macht ihm sein plötzliches Fieber doch zu schaffen. Als er kurz zur Toilette geht, merkt Olaf zudem, dass er Schmerzen beim Wasserlassen hat.
„Eine Blasenentzündung also. Jetzt wird mir auch klar, woher das Fieber kommt“. Er bleibt noch einige Stunden, amüsiert sich so gut es geht und fährt dann nach Hause.

Auf dem Nachhauseweg spürt er, wie das Fieber zu verschwinden scheint. Und als er zu Hause angekommen ist, ist der ganze Spuk samt Blasenentzündung plötzlich vorbei. Einfach so… Aus dem Nichts.
„Wirklich sehr seltsam.“, denkt sich Olaf.

Was genau ist hier passiert?
Man kann sagen, dass Olaf in diesem Beispiel die Trennung bis zu diesem Zeitpunkt nie vollständig verarbeitet hat. Seine Psyche hat die schmerzlichen Gefühle schön tief in einer Kiste versteckt, wo Olaf sie nicht fühlen muss.

Jedoch sind sie nicht völlig weg. Denn sie wirken unterbewusst immer noch weiter. Und in diesem Fall versuchen sie Olaf über den Körper zu sagen: „Junge, eigentlich hast du doch gar keinen Bock zu dieser Hochzeit zu fahren. Denn im Innersten tut dir das immer noch ganz schön weh. Komm, ich mach dich krank und verursache etwas Fieber. Dann hast du einen guten Grund, wieder nach Hause zu fahren.“

Theoretisch gäbe es auch noch eine zweite Möglichkeit. Diese Fiebersymptome könnten ein letzter „Los-lass-Schmerz“ sein, um endgültig von einer Person abzulassen. Und jemanden endgültig gehen zu lassen, tut nun mal weh. Auch körperlich.

Die Behandlung psychosomatischer Störungen

 

Vielleicht ist Ihnen in diesem Artikel bewusst geworden, dass Psychosomatik nichts mit Einbildung zu tun hat, sondern ganz reale und belastende Beschwerden beschreibt.

Und vielleicht ist auch klar geworden, dass es nichts damit zu tun hat „verrückt“ zu sein, sondern das dies Probleme sind, die jeden von uns irgendwann einmal treffen können.

Erwähnen möchte ich noch, dass es nur zwei Beispiele von vielen sind.
So unterschiedlich wie der Mensch sein kann können auch die körperlichen Symptome einer psychischen Belastung sein. Manche tragen wir schon so viele Jahre mit uns herum, dass wir selbst nach längerer Überlegung erst einmal keine Verbindung herstellen können.

Die Auswirkung von Stress und unterbewussten Konflikten können vielfältig sein.

  • Kopfschmerzen und Migräne
  • Bluthochdruck
  • Magen-Darm-Beschwerden
  • Hautausschläge
  • Neurodermitis
  • Gelenk- und Muskelschmerzen
  • Magengeschwüre …
  • und sogar Asthma!

Die Palette ist recht groß.

Das Achtsamkeitstraining oder die Körperpsychotherapie haben sich als sehr wirksame Behandlungsmethoden erwiesen. Durch ein Training der Körperwahrnehmung, diversen Achtsamkeits- und Entspannungsübungen wird wieder ein Empfinden für die eigenen Gefühle, Bedürfnisse und den Körper hergestellt.

Körper und Psyche können sich also wieder verbinden, sodass man wieder merkt, was einen eigentlich so belastet.
Also nicht die sofortige Veränderung sondern viel mehr die Bewusstwerdung der eigenen Konflikte steht im Fokus einer solchen Therapie. Schon alleine dadurch, dass die Verbindung zwischen Körper und Gefühl wieder hergestellt wird, kann eine Abnahme der körperlichen Symptome bewirken. Und schlussendlich kommen Klienten durch das bewusste Spüren ganz häufig zu eigenen Lösungswegen für ihre Problematik.

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